Am 24. Oktober 2025 fand am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main der zweite OERinfo-Fachtag statt – diesmal unter dem Motto „Gemeinsam für mehr Offenheit“. Das Schwerpunktthema: „Bildungsinfrastrukturen, digital und offen – usOER, researchOER und providOER im Trialog“.

Mit dabei waren Florian Mayrhofer (Goethe-Universität Frankfurt, Professur für Religionspädagogik und Mediendidaktik) und Gina Buchwald-Chassée (Comenius-Institut Münster) vom FOERBICO-Team, die hier ihre Einblicke mit euch teilen.

Austausch zwischen Nutzer:innen, Forschung und Entwicklung

Der Fachtag brachte Nutzer:innen (usOER), Forscher:innen (researchOER) sowie Entwickler:innen (producOER) und Anbieter:innen (providOER) in einen lebendigen Austausch. Ziel war es, Bedarfe, innovative Ideen und politische Handlungsfelder für OER-förderliche Bildungsinfrastrukturen zu identifizieren – und gemeinsam zu überlegen, wie Offenheit technisch, didaktisch und organisatorisch besser gelingen kann. Nach der Eröffnung durch Prof. Dr. Marc Rittberger (DIPF), Katja Stamm (BMBFSFJ) und Dr. Markus Deimann (ORCA.nrw) wurde schnell deutlich: Offenheit in der Bildung ist kein Randthema mehr – sie betrifft zunehmend das gesamte digitale Ökosystem von Lehren und Lernen.

OER on Stage: Stimmen aus der Praxis

Im Fishbowl „OER on Stage: User-Stories“ diskutierten Franziska Mucha (usOER) und Verena Zimper (providOER) mit dem Publikum über konkrete Erfahrungen im Umgang mit offenen Materialien.

Die Gesprächsrunde, begleitet von intensiven Beiträgen aus der Community, orientierte sich entlang zentraler Fragen:

  • Wie behalten wir den Überblick über Materialien, Plattformen und Lizenzen?
  • Was passiert eigentlich mit den erstellten OER – werden sie gefunden, genutzt, weiterentwickelt?
  • Wie kann die Qualität von OER gesichert werden?
  • Viele Projekte bleiben in kleinen Bubbles. Wie lassen sich Brücken schlagen?
  • Wie könnte eine ideale, zukunftsfeste OER-Infrastruktur aussehen?

Workshops: OER-Infrastrukturen zum Mitmachen

Am Vormittag und Nachmittag ging es in Workshops an konkrete Ideen:

In „Build the Stage: Infrastruktur zum Mitmachen“ konnten Teilnehmende selbst aktiv werden – von der Erkundung bestehender OER-Infrastrukturen bis zur Entwicklung neuer Roadmaps und Prototypen.

  • MOERFI stellte die Idee eines OER-Cockpits vor, das Suche, Erstellung und Nutzung offener Materialien vereinfacht.
  • HackathOERn arbeitete an Mini-Roadmaps für OER-/OEP-Infrastrukturen – praxisnahe Skizzen für künftige Entwicklungsprozesse.
  • Im Workshop „Hack your Education“ zeigte Jugend hackt, wie partizipative Formate wie Hackathons Lernprozesse öffnen und Selbstbestimmung fördern.
  • Und im Workshop zu Edufeed und dem Nostr-Protokoll (Vorstellung der Idee siehe Pitch) wurde kritisch diskutiert, was „offen“ im technischen Sinne bedeutet – und wie Infrastrukturen Kollaboration entweder ermöglichen oder behindern können.

Forschung und internationale Perspektiven

Am Nachmittag boten Marktstände und Posterpräsentationen einen Überblick über aktuelle Projekte aus Forschung und Entwicklung. Den internationalen Schlusspunkt setzte Dr. Robert Farrow (Open University, UK) mit seinem Vortrag „Elements of an Open Ecosystem“. Farrow beleuchtete Offenheit als dynamisches, fragiles und evolvierendes Habitat von Werten – beeinflusst durch technologische, politische und kulturelle Faktoren. Besonders der Einsatz von Künstlicher Intelligenz rücke derzeit neue Fragen nach Zugang, Abhängigkeit und Gerechtigkeit in den Fokus.

Zentrale Fragen und Felder

Rückblickend zeigten sich während der Tagung in den verschiedenen Beiträgen, Workshops und Gesprächen offene Fragen und Felder:

Orientierung im OER-Dschungel

Die Vielfalt an OER-Materialien, Plattformen und Lizenzmodellen ist Chance und Herausforderung zugleich. Ohne klare Strukturen drohen wertvolle Ressourcen unauffindbar zu werden oder in rechtlichen Grauzonen zu verschwinden. Deshalb braucht es transparente Kataloge, eindeutige Lizenzangaben und intelligente Suchfunktionen. Nur so kann Offenheit auch tatsächlich Orientierung und Zugänglichkeit ermöglichen.

Black Box Nutzung

Ein bisher kaum beleuchtete Frage ist, was mit OER-Materialien nach ihrer Veröffentlichung geschieht. Oft endet der Produktionsprozess mit dem Upload – und was danach passiert, bleibt eine Black Box. Dabei wäre es zentral zu wissen, wie Materialien tatsächlich genutzt, verändert und weiterentwickelt werden. Dafür braucht es zwei Dinge:

  • Anreize für Autor:innen, ihre überarbeiteten Materialien wieder zu teilen
  • eine passende Infrastruktur, die diesen Rückfluss ermöglicht

Der von FOERBICO geplante Community Hub setzt genau hier an und möchte diesen Bruch in der OER-Kette schließen. Wir halten euch auf darüber natürlich auf dem Laufenden!

Qualität von OER

Ein häufig genanntes Problem in der OER-Praxis ist die Materialproduktion. Oft bringen Produzent:innen bereits fertige Lehrmaterialien mit, die anschließend an OER-Standards angepasst werden müssen – ein Prozess, der viel Zeit und Detailarbeit erfordert.

Für religionsbezogene OER stehen seit kurzem die von FOERBICO entwickelten Qualitätskriterien zur Verfügung. Sie setzen für das religionsbezogene Lehren und Lernen einen wichtigen Impuls: Sie machen sichtbar, worauf es bei offen zugänglichen Bildungsmaterialien wirklich ankommt – nicht nur auf die Offenheit, sondern auch auf pädagogische Qualität (mehr dazu im kürzlich veröffentlichen Blogbeitrag Digitale Offenheit braucht fachwissenschaftliche Tiefe: OER-Qualität im Projekt TiRU).

OER und ihre Wirkung

Trotz zahlreicher Praxisbeispiele wissen wir bislang erstaunlich wenig über die tatsächliche Wirkung von OER. Verbessern sie die Bildungsgerechtigkeit? Unterstützen sie Lehrkräfte in ihrer Professionalität? Erleichtern sie Lernprozesse? All diese Fragen sind bisher kaum systematisch untersucht. Eine empirische Forschung zu den Effekten offener Bildungsressourcen – sowohl für Lernende als auch Lehrende – wurde daher als dringendes Desiderat benannt.

Metadaten

OER leben von Zugänglichkeit. Doch Zugänglichkeit braucht Ordnung. Immer häufiger wird daher der Ruf nach Standardisierung von Metadaten laut – ergänzt um didaktische Metadaten, die pädagogische Intentionen und Lernziele erfassen.

Seit kurzem denken wir auch innerhalb von FOERBICO darüber nach, religionspädagogische Metadatenstandards zu entwickeln. Diese könnten nicht nur die Auffindbarkeit verbessern, sondern auch KI-Bots dabei unterstützen, passende Materialien für bestimmte Lernkontexte zu identifizieren und mit den richtigen Nutzer:innen zu verknüpfen.

Fehlende Anerkennung

Ein wiederkehrendes Thema ist der Mangel an Anerkennung für die Erstellung von OER, besonders im Hochschulkontext. Wer offene Lehrmaterialien produziert, investiert oft erhebliche Zeit – ohne dass diese Arbeit offiziell anerkannt oder honoriert wird. Hier braucht es neue Strukturen: politische Rahmenbedingungen, institutionelle Förderprogramme und eine Kultur, die offene Bildungspraktiken (OEP) sichtbar wertschätzt.

Blick in die Zukunft

Der Konsens: Austausch, Support und Beratung werden als entscheidende Hebel gesehen. Eine zentrale Plattform allein löst die Probleme nicht. Sinnvoller sind gut vernetzte, dezentrale Strukturen, die Metadaten, Nutzungsinformationen und Attributionsdaten bündeln. Im Kontext von Bildungsstrukturen gilt Dezentralität als Ideal. Sie steht für Vielfalt, Eigenverantwortung und Offenheit – Werte, die dem Gedanken offener Bildung entsprechen. Dezentral organisierte Netzwerke können Innovation und Qualität in der Bildungsarbeit stärken, wenn sie durch gemeinsame Standards und transparente Strukturen verbunden bleiben. So könnten Anerkennung und Sichtbarkeit für OER-Akteur:innen wachsen.

Dennoch ist die Realität komplex: „Wir kriegen die Player nicht zusammen“, hieß es mehrfach – ein Hinweis darauf, dass Koordination, Peers und politische Unterstützung entscheidend bleiben, um Offenheit langfristig zu sichern.

Fazit: Offenheit ist kein Selbstläufer

Offene Bildungsressourcen entstehen und wirken nur dann nachhaltig, wenn sie eingebettet sind in unterstützende Infrastrukturen, klare Verantwortlichkeiten und gelebte Kooperation.

Für das FOERBICO-Team war der OERinfo-Fachtag 2025 eine wichtige Impulsveranstaltung: für die weitere Auseinandersetzung mit OER-Beratung, Praxisnähe und Vernetzung, aber auch für die Frage, wie offene Bildungslandschaften stärker integriert, sichtbar und wertgeschätzt werden können. Doch neben Infrastrukturen stehen immer auch die Menschen im Fokus und so bot der Fachtag eine wunderbare Gelegenheit miteinander ins Gespräch zu kommen, gemeinsam an Lösungen zu denken und tiefere Einblicke in die OER-Communities zu erhalten. Zugleich sehen wir, dass das Projekt FOERBICO gut unterwegs ist und bereits an offenen Fragen aktiv nach konkreten Lösungsmöglichkeiten sucht.