Die visuelle Gestaltung von Bildungsmedien spielt eine zentrale Rolle in der Lehre. In der theologischen Hochschuldidaktik wird die visuelle Qualität von OER jedoch bislang wenig thematisiert, obwohl Bildmedien didaktisch zentral sind. Häufig werden Stockfotos oder KI-Bilder aus Gründen der Zugänglichkeit und vermeintlichen Rechtssicherheit genutzt. Unter Stockfotografie versteht man dabei vorproduzierte Bilder aus kommerziellen oder frei zugänglichen Bilddatenbanken, die für vielfältige Zwecke verwendet werden können. Stockfotos oder KI-Bilder wirken auf den ersten Blick neutral und praktisch, transportieren jedoch oftmals stereotype Darstellungen und kulturelle Vorannahmen. Dies wirft bildethische Fragen auf: Welche Stereotype und Normen werden in den Materialien (re-)produziert? Woher stammen die KI-Trainingsdaten? Besonders im theologischen Kontext ist eine kritische Reflexion der Bildverwendung unerlässlich.
OER und visuelle Qualität: Eine kritische Reflexion offener Bildungsmaterialien
Inhalt oder Eindruck? Warum Ästhetik in OER zählt
Bildung ist nicht nur eine Frage des Inhalts, sondern immer auch eine der Form. Gerade bei offenen Bildungsmaterialien stellt sich die Frage: Genügt es, wenn Inhalte fachlich korrekt und rechtlich abgesichert sind? Oder entscheidet die Art ihrer visuellen Aufbereitung ebenso sehr über ihre Wirkung und ihren didaktischen Wert wie der Inhalt selbst? Die visuelle Gestaltung von Lernmaterialien ist nicht nur eine didaktische Frage, sondern auch Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen. In einer Zeit, in der Kommunikation zunehmend visuell geprägt ist, wird auch von Bildungsmaterialien erwartet, dass sie ästhetisch ansprechend und visuell verständlich sind. Technische Möglichkeiten, mediale Gewohnheiten und der Trend zur Visualität insgesamt spiegeln sich somit unmittelbar in den Anforderungen an OER wider.
Der Iconic Turn und visuelle OER-Qualität
Mit dem „Iconic Turn“ (Boehm, 1994) bzw. dem „Pictorial Turn“ (Mitchell 1994) hat das Bild neue Relevanz in Wissenschaft und Bildung gewonnen. Gerade die Digitalisierung hat dieser Entwicklung Vorschub geleistet: Bildkommunikation wird zur dominanten Kulturtechnik, nicht nur im Alltag, sondern zunehmend auch in Lehr-Lern-Kontexten (Missomelius 2017).
Dennoch konstatiert Missomelius eine Forschungslücke in der medienpädagogischen Auseinandersetzung mit visueller Wissensvermittlung. Dabei ist Bildlichkeit längst elementarer Bestandteil didaktischer Settings bspw. durch Schaubilder oder Erklärvideos. OER-Erstellende greifen z.B. häufig auf Stockfotografie oder KI-generierte Bilder zurück aus Gründen der Zugänglichkeit, Ästhetik und (vermeintlichen) Rechtssicherheit.
Doch damit eröffnen sich bildethische Herausforderungen: Welche Stereotype werden durch Stockfotografie oder KI-generierte Bilder (re-)produziert? Woher stammen die Trainingsdaten für KI-generierte Bilder? Welche impliziten Normen vermitteln diese Bilder? In theologischen Kontexten ist die Auseinandersetzung besonders dringlich, da Bilder hier nicht nur illustrativ wirken, sondern häufig mit Fragen religiöser Symbolik, Tradition und Deutung einhergehen, selbst wenn diese Dimensionen nicht immer ausdrücklich reflektiert werden.
Visuelle Qualität in OER: Zwischen Anspruch und Realität
Die visuelle Gestaltung von Lernmaterialien wird von vielen Lehrenden als Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Lernenden verstanden. Ansprechend gestaltete Inhalte erhöhen nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern signalisieren zugleich ernsthaftes pädagogisches Engagement.
Zugleich erleben sich viele Lehrpersonen in ihren gestalterischen Möglichkeiten als begrenzt und wünschen sich fachliche Unterstützung, da ihnen oft sowohl Zeit als auch Expertise fehlen, um überzeugende Grafiken selbst zu entwickeln. Gleichzeitig ist evident, dass visuelle Qualität eine entscheidende Voraussetzung darstellt, damit OER überhaupt genutzt und weiterverarbeitet werden. In einer durch visuelle Sozialisation stark geprägten Bildungslandschaft gewinnt dieser Aspekt zunehmend an Bedeutung.
Problemfelder: KI-generierte Bilder und rechtliche Unsicherheiten
Viele Materialerstellende greifen zunehmend auf frei zugängliche Plattformen wie Pixabay oder KI-gestützte Tools zur Bildgenerierung zurück, um schnell, unkompliziert und vermeintlich rechtssicher an visuell ansprechende und passgenaue Bilder zu gelangen. Besonders im Kontext von OER ist der Bedarf nach rechtlich unbedenklichem Bildmaterial hoch, da hier nicht nur die Nutzung, sondern auch die Weitergabe und Veränderbarkeit der Bilder rechtlich abgesichert sein müssen. Diese Plattformen versprechen eine pragmatische Lösung: hochauflösende Bilder, einfache Suche über Verschlagwortung, unkomplizierter Download und die Aussicht auf freie Nutzung.
Doch auch in diesem scheinbar unkomplizierten Zugang verbergen sich erhebliche Herausforderungen. Bilddatenbanken wie Pixabay sind häufig von uneinheitlichen Lizenzmodellen und unklaren Nutzungsbedingungen geprägt (vgl. Steinhau 2021). Zudem lässt sich die Herkunft der Bilder nicht immer sicher nachvollziehen.
Die Situation wird noch komplexer bei KI-generierten Bildern. Zwar unterliegen diese aktuell nicht dem klassischen Urheberrecht, was zunächst eine unkomplizierte Nutzung nahelegt. Doch auch hier gilt es die Nutzungsbedingungen verschiedener KI-Anbieter, wie z.B. Canvazu beachten. Die Verwendung von KI-generierten Bildern wirft grundlegende Fragen zu einer verantwortungsvollen Verwendung auf, z.B.:
- Wer sind die eigentlichen Urheber*innen der Trainingsdaten?
- Haben diese zugestimmt, dass ihre urheberrechtlich geschützten Werke für die KI-Trainingsdaten verwendet werden?
- Wie nachhaltig ist der hohe Energieverbrauch, der mit der KI-Bildgenerierung einhergeht?
Darüber hinaus zeigen erste Studien, dass KI-generierte Bilder bestehende stereotype Darstellungen und Vorurteile visuell reproduzieren (vgl. Burghard & Hornung 2024). Aktuell arbeitet die EU derzeit an einer Regulierung von KI-Systemen, die Transparenz, Sicherheit und Verantwortlichkeit stärken soll. Diese umfasst auch den Umgang mit Trainingsdaten, was die rechtliche Einordnung und den ethischen Umgang mit KI-Bildern maßgeblich prägt (Tagesschau, 02.08.2025).
Insgesamt sind diese Fragen nicht nur juristisch relevant, sondern stellen vor allem eine ethische Herausforderung dar, besonders im Bildungsbereich, der eine kritische Reflexion und Urteilsfähigkeit bei Lernenden fördern will.
Bildskepsis in der Theologie
Das Christentum ist historisch durch eine ambivalente Haltung gegenüber Bildern geprägt, die sich aus seiner „Wortreligion“ ableitet, in der dem gesprochenen und geschriebenen Wort eine zentrale Offenbarungsfunktion zukommt (vgl. Burrichter 2015). Das biblische Bilderverbot und innerchristliche Kontroversen über Bilddarstellungen wirken bis heute nach und beeinflussen maßgeblich religionspädagogische Fragestellungen. Dabei ist eine wichtige Unterscheidung zwischen bildtheologischen und bilddidaktischen Aspekten zu treffen: Während bildtheologische Überlegungen das Verhältnis von Bild und Offenbarung thematisieren, fokussiert die Bilddidaktik auf die Förderung von Wahrnehmung, Deutung und kritischer Reflexion im Lernprozess.
Gerade angesichts der heute omnipräsenten Bilderflut, nicht zuletzt durch digitale Medien und KI-generierte Bildwelten, gewinnt eine theologisch fundierte, reflektierte Bildnutzung an Bedeutung. Beck & Kohlbrenner (2024) und Pirker (2021) plädieren dafür, Bilder als Lernmedien bewusst und kritisch im Bildungsprozess einzusetzen. Die Herausforderung besteht darin, Wahrnehmungs- und Deutungsprozesse zu ermöglichen, die über eine rein funktionale Verwendung hinausgehen.
Diese Fragen sind auch für die theologische Hochschuldidaktik relevant. Sie fordern eine fachübergreifende Auseinandersetzung, wie eine reflektierte Bildkompetenz im Sinne einer fundierten theologischen Bildung systematisch vermittelt werden kann, um einen verantwortungsvollen Umgang mit visuellen Medien im digitalen Zeitalter zu fördern.
Digitale Bildkulturen und ihre Herausforderung für die Religionspädagogik
Digitale Bildkulturen stellen neue Herausforderungen für die ästhetische Bildung in der Religionspädagogik dar, insbesondere im Kontext von OER. Während bildtheologische Fragestellungen traditionell bildsprachliche Organisationsformen, das Darstellbarkeitsproblem des Undarstellbaren, die Funktion von Bildern als Medium religiöser Bildungsprozesse und die sinnlich-ästhetische Dimension religiöser Bildung fokussieren (vgl. Gärtner 2016), gewinnt die Reflexion über die Dynamik digitaler Bildwelten erst allmählich an Bedeutung. Insbesondere im Social Web emergierende Bilder prägen individuelle Bildpraktiken.
Die Bilddidaktik in der Religionspädagogik hat sich bislang stark am kunstwissenschaftlichen Diskurs orientiert und setzt auf komplexe Werke mit theologisch-ästhetischer Tiefe. Kunstwerke sind polysem – also vieldeutig – was sie zu einem herausfordernden Medium macht. Sie wecken Emotionen, Deutungen und Werte, können Transzendenz hervorrufen und Inhalte sowohl direkt als auch unterschwellig vermitteln. Gerade diese gestaltende und mobilisierende Wirkung macht sie zu einem wichtigen Bestandteil religiöser Bildungsprozesse (vgl. Pirker 2021).
Allerdings erschweren eng gefasste Lizenzbedingungen die Verfügbarkeit von Kunstwerken für den OER-Bereich, während KI-generierte Bilder oder Stockfotografie noch nicht an die inhaltliche und theologische Tiefe heranreichen, um als tragfähige Bildungsmedien zu dienen. Sie dienen häufig dazu, das Arbeitsmaterial zu verschönern oder zu strukturieren, nicht jedoch als eigenständiger Lerngegenstand. Zudem erfordert die zunehmende Verbreitung bearbeiteter und manipulierten Bilder einen geschulten, kritischen Umgang mit bildlich vermittelten Botschaften. ###„Ein bildkritischer Umgang muss angesichts der Persuasivität bildlich vermittelter Botschaften kontinuierlich eingeübt werden“### (Pirker 2021, 162).
Zukunftsperspektivisch berührt dies zentrale Anliegen der Bilddidaktik: Verlangsamung, Vertiefung und theologische Reflexion in digitalen Bildwelten. Die Herausforderung bleibt, wie OER und KI-basierte Bildtechnologien eingesetzt werden können, ohne die für die Religionspädagogik essenziellen didaktischen Prozesse zu verkürzen.
Fazit und Ausblick
Die visuelle Qualität von OER ist ein zentrales Thema für die Hochschullehre, insbesondere in der Theologie. Dabei zeigt sich, dass der Einsatz von Bildmaterial nicht nur lediglich ein “Add-on” zur ästhetischen Aufbereitung ist, sondern ein komplexes Spannungsfeld aufmacht: Die Balance zwischen Pragmatismus, rechtlichen Unsicherheiten, ästhetischen Ansprüchen und bildethischen Fragestellungen stellt eine Herausforderung dar.
Das FOERBICO-Projekt widmet sich der Weiterentwicklung theologischer OER-Qualitätskriterien und bieten Raum für weitergehende Reflexionen. Auch über den religionspädagogischen Kontext hinaus, sind neben der Verbreitung von OER auch die Frage nach fachspezifischen Qualitätskriterien von Relevanz.
Die theologische Hochschuldidaktik kann in diesem Kontext von ihrer Multiperspektivität auf den Umgang mit Bildern profitieren. Die Frage nach den Anforderungen von Bildmaterialien im aufgezeigten Spannungsfeld bleibt bislang bestehen. Eine offene Diskussion ist weiterhin erforderlich, um die Potenziale und Grenzen offener Bildungsmaterialien kritisch zu hinterfragen und eine fachdidaktische Haltung zu entwickeln.
Tiefergehende Analysen unternimmt Paula Paschke (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Religionspädagogik und Mediendidaktik an der Goethe-Universität Frankfurt) in ihrem Dissertationsprojekt: “Digital Diversity” in der Religionspädagogik. Eine diskriminierungskritische Analyse digitaler Bildungsmedien.
Literaturangaben
Beck, W. / Kohlbrenner, L. (2024): Ein Sein vor, hinter und in dem Bild? In: Pirker, V./Paschke, P. (Hg.): Religion auf Instagram. Analysen und Perspektiven, Freiburg, 194–211.
Boehm, G. (1994): Was ist ein Bild? München.
Burghard, M. / Hornung, A. (2024): Was ist schon normal? In: Kritische Berichte 52 (2), 64–72, https://doi.org/10.11588/kb.2024.2.103988.
Burrichter, R. (2015): Bilder. In: WiReLex, https://www.die-bibel.de/ressourcen/wirelex/3-methoden-und-medien/bilder.
Gärtner, C. (2016): Bildung, ästhetische. In: WiReLex, https://www.die-bibel.de/ressourcen/wirelex/8-lernende-lehrende/bildung-aesthetische.
Missomelius, P. (2017): Medienpädagogische Aufgabenfelder. In: MedienPädagogik, 27. https://doi.org/10.21240/mpaed/27/2017.04.27.X.
Mitchell, W. J. T. (1994): Picture Theory, Chicago.
Pirker, V. (2021): Zur Macht der Bilder. In: Beck, W./Nord, I./Valentin, J. (Hg.): Theologie und Digitalität. Ein Kompendium, Freiburg, 155–179.
Steinhau, H. (2021): Pixabay und Co. Nutzung & Lizenzbedingungen für Bilder von Foto- und Medienplattformen, https://open-educational-resources.de/pixabay-und-co/.