Das Österreichische Religionspädagogische Forum (ÖRF) führte vom 12. bis 13. Juni 2025 die diesjährige Jahrestagung durch. Im Mittelpunkt stand ein höchst aktuelles Thema: Deeper Learning. Dieser pädagogische Ansatz setzt sich zum Ziel, Lernprozesse so zu gestalten, dass sie nicht nur Wissen vermitteln, sondern tatsächliche Relevanz für Lernende ermöglichen und zur aktiven Teilhabe ermutigen. Damit soll die Nachhaltigkeit von Lernprozessen gewährleistet werden.
Deeper Learning trifft Open Pedagogy – It’s a match
Prof. Andrea Lehner-Hartmann von der Universität Wien eröffnete die Tagung mit einer Einführung in das Konzept des Deeper Learning, basierend auf den Arbeiten von Sliwka und Klopsch (2022). In ihren Ausführungen wurde deutlich, dass Deeper Learning eine Antwort auf die Herausforderungen des digitalen Bildungszeitalters sucht.
Statt eines lehrer:innenzentrierten Modells, das Lernende auf passive Wissensaufnahme reduziert, fördert Deeper Learning eigenverantwortliches, forschendes und partizipatives Lernen - ganz im Sinne des “Teach less - learn more.” Schüler:innen und Studierende sollen befähigt werden, ihren Lernweg aktiv mitzugestalten, eigene Fragen zu entwickeln und kreative Lösungen zu verfolgen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Anschlussfähigkeit des Ansatzes an die Prinzipien der Open Pedagogy und offener Bildungsressourcen (OER) deutlich. Beide Konzepte basieren auf der Vorstellung von Bildung als ko-konstruktivem Prozess: Lernen wird als aktives Handeln verstanden, das Reflexion, Selbstbestimmung und Verantwortungsübernahme in den Mittelpunkt rückt.
Deeper Learning - Lernen in Phasen
Deeper Learning steht als Oberbegriff für verschiedene Konzepte, die aktuelle Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung zu nachhaltigem Lernen integrieren: Personalisierte Lernwege, Teamarbeit der Lehrkräfte, Verknüpfung von Wissensaneignung und Problemlöseprozesse, authentisches Lernen sowie die dialogische und formative Begleitung von Leistungsentwicklung.
Sliwka und Klopsch (2022) betonen, dass nachhaltiges Lernen vor allem dann geschieht, wenn sich Lernprozesse in folgenden drei Phasen ereignen:
- Instruktion und Aneignung: Zunächst müssen Schüler:innen fachliche Schlüsselkompetenzen und methodische Fertigkeiten erwerben, die für die spätere Aneignung notwendig sind. Ziel dieser Phase ist ein solides Wissensfundament zu schaffen.
- Ko-Konstruktion und Ko-Kreation: In dieser Phase arbeiten die Schüler*innen in Teams und bearbeiten Lernherausforderungen eigenständig auf Basis der zuvor erworbenen Kompetenzen bzw. des Wissens.
- Authentische Leistungserbringung: Am Ende steht die Produktion eines eigenen Lernprodukts bzw. einer Performanz. Authentisch meint hierbei, dass die Ergebnisse der Schüler*innen in deren realen Lebenswelten eingebettet sind und gegebenenfalls auch öffentlich (z.B.) in der Klasse präsentiert werden.
Prinzipien des Deeper Learning
Besonders hervorzuheben sind drei Prinzipien, die Deeper Learning veranschaulichen:
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Voice & Choice: Lernende erhalten altersgerecht die Möglichkeit, aktiv an ihrem Lernprozess mitzuwirken, Themen mitzubestimmen und Entscheidungen zu treffen. Dadurch wird nicht nur die Selbstständigkeit gestärkt, sondern auch ein tieferes Verständnis der Inhalte gefördert. Lernen wird zum dialogischen Prozess, in dem die Stimmen der Lernenden Gewicht erhalten.
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Student Agency: Gemeint ist damit die Fähigkeit der Lernenden, ihre Lernumgebung aktiv mitzugestalten und Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen. Dieses selbstbestimmte Lernen fördert nicht nur kognitive, sondern auch soziale und personale Kompetenzen, die für ein zukunftsgerichtetes Bildungsverständnis entscheidend sind.
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Kooperative Professionalität: Lehrkräfte arbeiten kooperativ, designen Unterricht in Teams und geben sich gegenseitig Feedback. Dies ermöglicht eine adaptive Perspektive der Lehrkräfte, welche es ihnen ermöglicht, flexibel und professionell auf unterschiedliche pädagogische Situationen beim Deeper Learning adäquat zu reagieren.
FOERBICO goes ÖRF
Im weiteren Verlauf der Tagung präsentierten Laura Mößle (FOERBICO-Team) und Florian Mayrhofer (Goethe-Universität Frankfurt, Professur für Religionspädagogik und Mediendidaktik) das Projekt FOERBICO, das darauf zielt, offene Bildungsressourcen (sog. OER) in der wissenschaftlich arbeitenden Religionspädagogik bekannter zu machen. In einer Gruppenarbeitsphase gingen die Teilnehmenden verschiedenen Fragen nach, bspw. wie es gelingen kann, dass Lernende nicht nur Konsumierende, sondern Mitgestaltende tiefgehender Lernprozesse werden und welche Chancen OER und OEP bieten, um religionsdidaktische Konzepte weiterzuentwickeln. In diesem Kontext wurde deutlich, wie fruchtbar die Verbindung von Deeper Learning mit offenen Bildungsmaterialien und offenen Bildungspraktiken ist. Die Diskussion zeigte auch auf, dass OER keinen Selbstzweck darstellen und nicht automatisch vertieftes Lernen erzeugen. Doch sie schaffen hilfreiche Rahmenbedingungen, um solche Prozesse zu ermöglichen – etwa durch das Remixen und Weiterentwickeln von Material, öffentliche Sichtbarkeit von Lernergebnissen und die Förderung selbstbestimmten Lernens.
Insgesamt bot die Tagung wertvolle Gelegenheiten zur Vernetzung mit Vertreter:innen der österreichischen Schulaufsicht für Religion (Fachinspektor:innen) sowie mit wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen aus Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Der intensive Dialog zwischen Theorie und Praxis erwies sich als fruchtbarer Boden für die Weiterentwicklung religionspädagogischer Perspektiven für offene, nachhaltige und partizipative Bildung.